Frisch auf zu neuen Taten...
Mittwoch, 30. November 2005

Wein und Käse

Sie hieß E. und war das Au-Pairmädchen der Familie gegenüber. Aus Ungarn kam sie, sprach fast akzentfrei deutsch und sah einfach umwerfend aus. Das gerollte „R“, das sie benutzte, gab ihrem Auftritt immer noch den etwas besonderen Kick. Man kannte sich vom Sehen, grüßte sich auf der Straße, sprach auch mal den einen oder anderen Satz miteinander. Bis zu diesem Abend.

Ein Sommerabend. Ich kam von der Arbeit nach Hause. Es war spät geworden, doch E. saß auf der Bank vor dem Haus, genoss die Wärme, die in den Steinen der alten Hausmauer gespeichert war. Ein Teil der Mauer gehörte zur ehemaligen Stadtmauer, grobe Quader aus dem dreizehnten Jahrhundert, alt, aber stabil. Das Haus drangebaut, wie ein Schwalbennest, die Altstadt an dieser Stelle überragend. Der Hof von der Straße nicht einsehbar, eine kleine Gartenhütte im dahinterliegenden Garten.
„Hast du Lust auf Rrrotwein?“ war ihre erste Frage, die sie mir stellte, als ich die Tür aufschloss. Warum eigentlich nicht? Die Marke ist mir entfallen, nicht jedoch, dass ich die Gläser mitbrachte. Langstielige Rotweingläser. Dazu die Holzbank, der Wein, diese wunderschöne Frau. Gedämpfte Geräusche drangen aus der Altstadt zu uns herauf, störten aber unsere Unterhaltung über alles Mögliche nicht. „Weißt du, was hier noch zum vollkommenen Glück fehlt? Käse zum Rotwein.“ Nur einige Minuten später war ich wieder zurück, mit einem Holzbrett, Käse, einem Messer.

Ich genoss es, zuzusehen wie E. genüsslich Scheiben des Blockkäses herunterschnitt, diese mit ihren wunderschönen, gepflegten Händen zum Mund führte und dort dann, mit den vollen, vom Rotwein feuchten Lippen festhielt und sanft abbiss. Dann und wann nahm sie noch einen Schluck Rotwein dazu, der auf ihren Lippen perlte und die natürliche Farbe nur noch intensiver schimmern ließ.

Inzwischen war es dunkel geworden, und die nachmittägliche Schwüle wich einem frisch aufkommenden Wind. Sterne konnte man keine am Himmel erkennen, der sich zuzog, über den nahen Bergen Gewittertürme aufbaute und dem schwindenden Licht auch noch die letzte Kraft nahm. Wir zogen um in die Gartenhütte, mit all unseren Schätzen. Kaum hatten wir es uns dort gemütlich gemacht, ging draußen schon das Sommergewitter los. Blitze erhellten die Dunkelheit, ein frischer Regen strömte hernieder und wusch auch noch den letzten Rest der Schwüle aus den Gassen der Altstadt.

„Ich mag dieses Wetter. Drrrinnen sitzen und dem Gewitterrr zuschauen“ sagte E. „Ja“, stimmte ich zu, „das hat was, die Naturgewalten, die einem zeigen, wie klein man doch ist. Noch Käse oder Wein?“ Aber sie verneinte, schlang die Arme um die angezogenen Beine und schaute dem Regen zu. „Es gibt noch etwas anderrres, dass man bei Gewitterrr machen kann“ ließ sie plötzlich hören. Dabei traf mich ein Blick ihrer dunklen Augen durch das schwarze Lockengewirr ihrer Haare im Schein eines weiteren Blitzes.

„Wir sollten jetzt ins Bett gehen“ sagte sie.


Dieser Beitrag wurde für Don Alphonsos DADA und DALI-Award erstellt.
Und nun zu einem ganz anderen Thema.
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